Rezension von Ancalagon
Autor: |
Jewgenij Samjatin |
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Jahr: |
1920 |
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Originaltitel: |
Мы |
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Muss ich haben: | ||
Die Bewertung von Ancalagon: Diskussion: Kommentieren |
Review:
In diesem Roman wird eine fiktive Gesellschaft beschrieben, in der jegliche Individualität unterdrückt wird. Jeder Bürger schläft zu einer staatlich festgelegten Zeit, die Häuser sind aus Glas. Das Leben läuft in einem vom Staat festgelegten Plan ab, der selbst die Liebe regelt. Der Ingenieur D-503 arbeitet für diesen "einzigen, bald perfekten" Staat an der Konstruktion eines Raumschiffes, der Integral. Dieses soll in den Weltraum fliegen und den Gedanken des Staates noch weiter tragen. D-503 hält seine Gedanken in einem Tagebuch fest. Er ist der Meinung, dass alle Probleme mathematisch lösbar seien, und dass so sein Staat bald perfekt sein müsse. Doch als er der Staatsfeindin I-330 begegnet, beginnt er sich zu verändern. I-330 ist eine Revolutionärin, die das politische System durchschaut hat. Er glaubt, an einer Krankheit zu leiden, die heilbar ist. Der Arzt offenbart ihm, dass sich in ihm eine Seele gebildet hätte. D-503 ist nicht mehr in der Lage, seiner Arbeit nachzugehen, denn sein Weltbild, an das er glaubt, lässt sich nicht mehr mit seinen Gefühlen vereinbaren. Mit einer Untergrundbewegung nimmt er schliesslich an einem Putsch teil. Seine schmalen Lippen lächelten: "Schlecht, schlecht. Bei Ihnen hat sich offenbar eine Seele gebildet." Eine Seele? Das ist ein uraltes, längst vergessenes Wort. Wir sagen wohl manchmal noch "ein Herz und eine Seele", "Seelenruhe", "Seelenverderber", aber Seele, nein! "Ist das ... ist das sehr gefährlich?" stotterte ich. "Unheilbar", erwiderte er. Die Parallelen zu 1984 sind so deutlich, dass man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass Orwell das Buch gelesen hat. - "Big Brother" entspricht dem "Wohltäter", Winston Smith ist D-503, die Revolution wird durch eine Frau ausgelöst, die ihm zeigen, dass Liebe nicht durch einen totalitären Staat unterdrückt werden kann. Das Buch ist sehr angenehm zu lesen. Ist man nicht am politischen Hintergrund interessiert, bietet es eine einfache, aber spannende Geschichte. Ich habe mir das Buch gekauft, weil ich von Orwell's 1984 und Huxley's Schöne neue Welt fasziniert war und mehr zu diesem Thema lesen wollte. Leider ist es so, dass Wir, nach diesen beiden moderneren Büchern gelesen, nur noch akademischen Wert besitzt. Die Geschichten sind zu ähnlich, so dass die Spannung ausbleibt. Auch die politische Thematik bringt so nichts Neues. Hat man allerdings keines der 3 Bücher gelesen, sollte man unbedingt mit Wir beginnen. Wir entstand fast 30 Jahre vor 1984, und die prophetische Leistung des Autors ist beachtlich. Beim zweiten Lesen werden neue, komplexere Zusammenhänge klar, die beim ersten Mal übersehen wurden. Während seines Studiums als Schiffbau-Ingenieur in St. Petersburg organisierte Jewgenij Samjatin mit seiner Partei den Aufstand auf dem Panzerkreuzer Potemkin und beteiligte sich 1917 aktiv an der Oktoberrevolution. Doch er wurde von Lenin enttäuscht und versuchte, seinte Gedanken und Ängste in diesem Roman niederzuschreiben. Jewgenij Samjatin erhielt für den Roman ein Schreibverbot, worauf er 1931 mit der Hilfe seines Freundes Gorki nach Frankreich ins Exil ging. Er starb 1937 in Paris. |
Weitere Informationen:
Erste russische Ausgabe: |
1952, New York |
Original-Sprache: |
Russisch |
Wir scheint die Inspiration für Orwell´s Klassiker zu sein |
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