Rezension von Ancalagon
Autor: |
Marcus Hammerschmitt |
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Jahr: |
2002 |
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Originaltitel: |
PolyPlay |
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Muss ich haben: | ||
Die Bewertung von Ancalagon: Diskussion: Kommentieren |
Review:
Was, wenn nicht die BRD die DDR geschluckt hätte, sondern umgekehrt? In diesem Alternativwelt-Thriller konnte der historische Börsenkrach von 1987 nicht abgefedert werden und mündete in einer Weltwirtschaftskrise. Die DDR-Ökonomie erholte sich aber überraschend schnell: Die Entdeckung einer revolutionären Energiequelle schuf unbegrenzte Reserven - und so verlief die Geschichte etwas anders: die DDR übernahm die wirtschaftliche und politische Führung in Europa. Zehn Jahre nach der "Wende" findet Kommissar Kramer bei der Untersuchung des Todes eines Computerfanatikers keine richtigen Hinweise auf das Verbrechen. Wie in einem ganz typischen Krimi tappt er im Dunkeln und muss sich durch die endlose Bürokratie kämpfen. Die Volkspolizei versucht, ihm den Fall zu entziehen. Als Kramer glaubt, der Lösung näher gekommen zu sein, lösen sich plötzlich die Beweise in Luft auf. Man munkelt, der Fall habe politische Implikationen, die STASI sei im Spiel. Doch bald dreht sich die Spirale noch schneller, als auch die mächtigsten Statsorgane beeinflussen könnten: Auf dem Boden lag ein knöcheltiefer Haufen grobkörniger Staub: Das war alles, was von seiner Büroeinrichtung übrig geblieben war. Vögel sprangen herbei und pickten in dem Haufen nach Essbarem. Seltsame Vögel waren das. Lebendig tschilpend und zwitschernd sprangen sie in dem Staub umher, aber ihre Gefieder hatten eine Färbung, die den Augen wehtat - ihre Federn waren stumpfgrau und schimmerten gleichzeitig metallisch grün. Intensiv gelbe Augen hatten diese Vögel, mit stecknadelkopfgrossen schwarzen Pupillen. Kramer sah alles ganz klar. "Todesvögel", dachte er zusammenhangslos, "Todesvögel". Einer sprang auf seinen linken Schuh zu und pickte daran herum, als wollte er das Leder fressen. Kramer stand auf. Der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, knisterte und zerfiel zu staub. Dieser Krimi ist schnell mehr als nur die Geschichte der Lösung eines Verbrechens. Der Leser versucht genau wie der Kommisar zu verstehen, was eigentlich gespielt wird. Schliesslich landet man bald in einem Technik-Thriller: Früher hatte Wes den Film 2001 - Odyssee im Weltraum immer sehr gemocht. In der Tat war dieser Film ein entscheidender Anstoss gewesen, sich mit Computern zu beschäftigen. Nach anderthalb Jahren auf der Festung hasste er den Film, Kubrick und alles, was ihm nur entfernt daran erinnerte. Vor allem hasste er die Szene, in der Dave Bowman HAL 9000 abschaltet, weil er genau wusste, wie sich Dave fühlte. Es war heiss. Es war eng. Er durfte keine Fehler machen. Wes schob sich vorischtig an den Serverracks vorbei und achtete peinlich genau darauf, dass er nichts berührte, was nicht zu seiner aktuellen Aufgabe gehörte. Die Vorschriften in dieser Hinsicht waren sehr strikt. Die erste Häfte des Buches liest sich harzig, besonders dann, wenn man Krimis nicht besonders mag und eigentlich auch nicht an den politischen Gedankenspielen interessiert ist. Aber trotzdem wird die Sache interessant, und schon bald versteht man gar nicht mehr, wie alles zusammenpasst. Die Spannung ist da, und die scheinbar chaotische Welt wurde ganz genau ausgedacht. Der Schluss des Buches ist, wenn man im Nachhinein darüber nachdenkt, nicht überraschend, sondern gerade in der heutigen Zeit nur allzu logisch. Was dieses Buch von der Top-Klasse trennt, ist die fehlende Ausgeglichenheit. Die Spannung baut sich nur langsam auf, und es gibt ein paar langatmige Diskussionen, die wenig zur Entwicklung der Geschichte beitragen. Aber alles in allem ist dieses Buch sehr zu empfehlen. |
Weitere Informationen:
Polyplay war der einzige Arcade-Automat, der in der DDR entwickelt wurde. |
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Marcus Hammerschmitts Homepage |
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Das Kapitel, das beschreibt, wie die Welt von PolyPlay aussieht, bevor es vom Verlag verworfen wurde. |
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Sealand, ein Teil der Handlung spielt hier, existiert tatsächlich. |
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